Wikimedia,  Jim Pennucci , CC - BY - SA Wikimedia,  Jim Pennucci , CC - BY - SA
Neuerscheinung Polizeigeschichte im Zweiten Weltkrieg: Kriegsverbrechen und Verleugnung Der Vater im „Bandenkampf“, der Sohn auf seinen Spuren Der Autor des Buches, Manfred Schneider, geboren 1948 in der Oberpfalz, gehört zur Nachkriegsgeneration, die zwar nicht mehr das  Unrechtsregime des Dritten Reiches und die Entbehrungen und Schrecken eines totalen Krieges miterleben musste, die aber mit den materiellen  und seelischen Nachwirkungen dieser Katastrophen konfrontiert wurde. Der Vater des Autors, der 1917 geborene August Schneider, stammte  aus dem saarländischen Quierschied und trat 1935 in Köln der preußischen Landespolizei bei. Nach der „Machtübernahme“ der  Nationalsozialisten gehörte er knapp zwei Jahre lang der Hitlerjugend (HJ) an, später auch der NSV, dem Reichskolonialbund und dem Volksbund  für das Deutschtum im Ausland. Er wurde aber weder Mitglied der NSDAP noch der SA oder SS.  1938 nahm August Schneider als Polizeiangehöriger am deutschen „Einmarsch“ in Österreich teil, im folgenden Jahr an der Besetzung des  Sudetenlandes und nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen Anfang September 1939 am Aufbau und der Ausübung der Besatzungs- und  Polizeiverwaltung in Posen. 1941 wurde er zur Schutzpolizeischule Gnesen versetzt, wo er als Unterführer in der Polizeiausbildung tätig war,  auch über den Beginn des Russland-Feldzugs hinaus.Im Juni 1943 wurde August Schneider dann dem Polizei-Schützen-Regiment 35 zugeteilt, das  in der Ukraine bei der so genannten „Bandenbekämpfung“, also in dem brutalen Kampf gegen Partisanen, zum Einsatz kam. Standort der Einheit  war Litzmannstadt (Lodz), wo die SS ein großes jüdisches Getto errichtet hatte. Nach Kämpfen und starken Verlusten wurde das Regiment im  April 1944 mit den Resten des ebenfalls dezimierten SS-Polizei-Regiments 10 zusammengelegt und in das Adriatische Küstenland Sloweniens  verlegt. Auch hier galt der Einsatz der Vernichtung der Partisanen, aber die Deutschen verloren immer mehr an Boden, und August Schneider  kam im Mai 1945 in Kärnten in amerikanische Gefangenschaft. Bereits nach sechs Wochen Internierung in Flossenbürg und Weiden in der  Oberpfalz wurde er entlassen und als Hilfspolizist in die bayerische Landespolizei übernommen. 1950 wechselte er zur saarländischen Polizei und  trat 1977 in den Ruhestand.  Manfred Schneider, der Sohn des Polizisten, wuchs im Saarland auf, das ab 1957 wieder zu Deutschland, zur Bundesrepublik, gehörte. Nach  Volksschule und abgebrochener Gymnasialbildung absolvierte er erfolgreich eine Lehre als Autoschlosser, jedoch verfolgte er die restaurative  gesellschaftliche Entwicklung im Land mit Skepsis. 1967 zog er nach Ulm und Ende 1969 nach Berlin, um der Einberufung zur Bundeswehr zu  entgehen. Als Arbeiter in den rebellischen studentischen Kreisen bisweilen hofiert, stand er in Opposition zu den autoritären Tendenzen des  Staates. Schon der Eichmann-Prozess 1961 in Israel hatte ihn beeindruckt, die „Spiegel“-Affäre 1962 bestätigte ihn in seiner kritischen Haltung,  noch mehr der Auswitz-Prozess von 1963 bis 1965. Der Vietnam-Krieg der Amerikaner, bei dem die „guten Befreier“ mehr und mehr im Morast  eines unerklärten, brutalen Krieges versanken, weckte bei Manfred Schneider zunehmend Assoziationen zu den mittlerweile bekannten  Massenverbrechen der deutschen Wehrmacht und Polizei im Zweiten Weltkrieg in Polen und der Sowjetunion. War auch sein Vater an solchen  Verbrechen beteiligt gewesen?   Der hatte kaum jemals von sich aus über seine Erlebnisse im Krieg erzählt. Und der Sohn, so gestand dieser sich später selbst ein, hat auch nie  hartnäckig nachgefragt. Im Jahr 1968 gab es viele Diskussionen zwischen Vater und Sohn „über das, was war und was sein sollte“. „Vor dem  Hintergrund dieses Zeitgeistes fanden unsere Auseinandersetzungen statt. … Mitten in diesem Aufbruch der Generationen, streikend für  kollektive Lernformen und die Weltverbesserung, wusste ich die Welt besser zu erklären als mein Vater. Ich machte ihn für alles aus dem Dritten  Reich übrig Gebliebene verantwortlich. Aber auch er kämpfte, ging keinem Streit aus dem Weg, und im Nachhinein weiß ich, wie oft und tief ich  ihn getroffen habe, wie sehr er leiden musste ob der Uneinsichtigkeit und Unbarmherzigkeit seines Sohnes.“ Trotz aller  Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen kam es nicht zum völligen Bruch zwischen Vater und Sohn. Mit den Jahren näherten sie  sich wieder an, und 1991 besuchten sie gemeinsam die polnischen Städte Posen und Gnesen, wo August Schneider während des Krieges  Polizeidienst verrichtet hatte. Ein Jahr später verstarb der Vater in Rötz in der Oberpfalz, wo er nach der Ruhestandsversetzung mit seiner  Ehefrau gelebt hatte. Für den Sohn war der Tod des Vaters nun aber nicht etwa der Schlusspunkt der Diskussionen, sondern vielmehr Ausgangspunkt umfangreicher  Recherchen zum dienstlichen Leben des Vaters während des Krieges. Er suchte zahlreiche Archive in Deutschland, Polen und Slowenien auf: „Es  war wie kriminalistische Kleinarbeit, die mich von Archiv zu Archiv, von Hinweis zu Hinweis, zu Kombinationen in eine Welt führte, über der ein  bleierner Mantel des Schweigens, des Rechtfertigens und der Scham lag.“ Er hatte zwar keinen konkreten Verdacht, aber doch die Befürchtung,  dass der Vater an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein könnte. Denn dieser war ja an Orten gewesen, an denen Polizeieinheiten  systematisch Massenverbrechen begangen hatten, in Polen, in der Ukraine, in Jugoslawien. „Er hat gesehen, was geschah, und er wusste, dass es  falsch war.“ Die Ergebnisse der Recherchen Manfred Schneiders sollen hier nicht vorweggenommen werden. Abschließend schreibt der Autor in dem sehr  lesenswerten Buch: „Ich habe mich nicht bemüht, allgemeinverbindlich objektiv zu sein. Ich habe das, was ich fand, nach meiner  Lebenserfahrung, nach meiner Durchdringung vor meinem Hintergrund, meiner Bildung verarbeitet und bewertet. … Ich glaube, wir müssen  unseren Kindern sagen, wer wir sind und woher wir kommen.“  Manfred Schneider August Schneider. Polizist im Zweiten Weltkrieg 1939 bis 1945 Berlin 2021 Paperback 398 Seiten 19,26 Euro ISBN 979-8-7001-7186-1 Über den Autor  Manfred Schneider wurde 1948 in Rötz /Opf. in  Bayern  geboren  und  wuchs  ab  1950  im  Saarland  auf.  Er  erlernte  in  Lebach  (Landkreis   Saarlouis)  den  Beruf  des  Autoschlossers,  studierte  von  1971  bis  1974  Sozialarbeit in Berlin und war in der Zeit von 1974 bis 1985 in der  Planungsgruppe der Berliner Senatsverwaltung  für  Familie,  Jugend  und  Sport tätig. 1985 machte er sich selbstständig und gründete mit  anderen ein Beratungsunternehmen  für  Arbeitsmarkt-  und  Sozialpolitik, in dem er immer noch aktiv ist, auch nach seinem Eintritt in den  Ruhestand. Als heranwachsender Jugendlicher hat ihn mehr und mehr die Frage bewegt, welche Rolle sein Vater, der während des Zweiten Weltkrieges als  Polizist  an  verschiedenen  Schauplätzen  eingesetzt  war,  tatsächlich  gespielt hat. Tat er dort seinen Dienst nur als Ordnungspolizist oder hatte  er weiterreichende Aufgaben? War er gar an Kriegsverbrechen beteiligt? Antworten auf solche Fragen bekam er von seinem Vater nicht. Der  aber war dort, wo von der Polizei systematisch Gräueltaten verübt worden waren, nämlich in Polen, in der Ukraine und in Jugoslawien. Es war  damals die  Zeit,  über  der  ein  bleierner  Mantel  des  Schweigens,  Verdrängens,  Rechtfertigens und der Scham lag. Manfred Schneider wollte  sich damit nicht zufrieden geben. So begann für ihn – neben seiner Berufstätigkeit – eine lange Zeit des Suchens und Nachforschens.  Diesem Buch liegt eine jahrzehntelange akribische Recherche in nationalen  und  internationalen  Archiven  zugrunde,  während  derer  der   Autor  eine Vielzahl von Originaldokumenten ausfindig machen, sichten und auswerten konnte. Bei seinen Sucharbeiten fand er in den  jeweiligen ArchivInstitutionen wertvolle Hilfestellungen